Die Reformation

Dieses freiheitsliebende und unabhängige Volk hat sich schon in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts entschlossen und geschlossen der Reformation geöffnet. Geistesgeschichtlich lassen sich solche Vorgänge nicht ohne weiteres erklären, wir wissen nicht, was in den Seelen der Menschen jener Zeit vorgegangen ist.

a) Was für ein Motiv sicher mitgewirkt hat, zeigt ein Geschehnis in Altmünster: heute noch sieht man an einer Außenmauer der Kirche von Altmünster den Grabstein des Pfarrvikars Siegmund Neunfelder (gest. 1532). Dieser Mann hat 1521 für sein Seelenheil eine „Ewige Messe' gestiftet. Er hat ein Vermögen geerbt und bemerkt in der Stiftungsurkunde, daß es keine bessere Verwendung geben könne, als damit eine solche Stiftung aufzurichten, die das Seelenheil sichert.

Zu Vögten dieser Stiftung bestimmt er die vier Brüder Schärfenberg auf Schloß Ort im Traunsee - d. h., sie sollen mit ihren Nachkommen dafür sorgen, daß das Vermögen stiftungsgemäß verwaltet werde. Die Gebrüder Schärfenberg übernehmen die Vogtei, aber unter einer merkwürdigen Bedingung:
„Soferne nicht mit Zulassung Gottes in der Heiligen Christlichen Kirche Veränderungen geschehen.' Dieser Satz wiederholt sich in der Konfirmationsurkunde zweimal. Das kann nur bedeuten: die Herren auf Schloß Ort erwarten mit Sicherheit eine solche Veränderung und werden sie begrüßen. Sie betrifft keine belanglosen Dinge, sondern das Herzstück des damaligen katholischen Lebens, die Messe.

Die Jenseitshoffnung der Menschen jener Zeit beruht auf der Messe. Nach den Tode in den Himmel zu kommen, gelingt nur den Heiligen. Davon gibt es nicht viele. Man muß froh sein, wenn die guten Werke ausreichen, die Hölle zu vermeiden und das Fegefeuer zu erreichen, sei es auch für Jahrtausende. Vornehmste Christenpflicht ist es, den Seelen im Fegefeuer zu helfen. Das geschieht am besten durch Stiftungen, durch das große und kleine Seelgerät. Das große Seelgerät ist ein Gefüge von Vigilien, Messen, Ämtern, Grabumgängen, die sich durch Monate hinziehen und ein Vermögen kosten. Für Ewige Messen werden Güter und Höfe hingegeben. Wer darf den Toten solchen Liebesdienst verweigern? In den Eingaben der Stände an die Regierung wird immer wieder geklagt, daß ganze Bauernhöfe an diesen Stiftungen zugrunde gehen. Man kann sich vorstellen, welch eine Befreiung es bedeutete, als von Wittenberg her die Botschaft kam: der Mensch wird vor Gott gerecht nicht durch des Gesetzes Werke, nicht durch Tausende von Messen, sondern durch den Glauben an das allversöhnende Opfer Christi.

Auf evangelischen Grabmälem wie etwa auf einem Pollheimer Epitaph in der Kirche zu Oberthalheim sieht man den Auferstandenen, wie er Sünde, Tod und Teufel in den Abgrund stößt und darunter den Vers: „Christus, die Urständ und das Leben / will ewige Leben jedem geben / der an ihn glaubet festiglich / des mag der Sünder freuen sich." Wie schnell die Reformation das Land eroberte, zeigt die Tatsache, daß die Stiftungen, die bis 1518 ständig anstiegen, in den Jahren 1520 bis 1522 steil abfielen und 1530 völlig erloschen sind.

b) Es kam im Salzkammergut zu einem totalen Sieg der Reformation. Dies kam ohne Zweifel daher, daß Mächte, die sich anderswo gegen die Reformation stellten, hier sich für die Reformation eingesetzt haben.

1) Während im übrigen Lande ob der Enns die meisten Klöster Horte des alten Glaubens waren, wird das Kloster Traunkirchen ein Brennpunkt des lutherischen Glaubens. Die Klostervisitation des Jahres 1561 berichtet über Traunkirchen: die beiden Seelsorger des Klosters, Pfarrer decke[ und Kaplan Haidinger, stehen mit Überzeugung auf dem Boden der lutherischen Rechtfertigungslehre. Das Heilige Abendmahl wird unter beiderlei Gestalt gefeiert. Das Gedächtnis der Toten hat aufgehört, das heißt, man verzichtet auf eine Haupteinnahme des Klosters. In der Kinderschule wird der Lutherische Katechismus gelehrt. Die Äbtissin, Sr. Magdalena Dietrichinger, ist überzeugte Anhängerin des Augsburgischen Bekenntnisses. Da die Pfarreien des Salzkammergutes wie gesagt nach Traunkirchen inkorporiert sind, werden sie nur mit Geistlichen besetzt, die der A. C. anhängen. Das gilt natürlich auch von Goisern. Der „Gedächtnisstätten-Führer" unseres Bischofs Sakrausky, 1981, weist darauf hin, daß im Haus das Schneidermeisters Gregor Retsch eine Erinnerungstafel an den letzten evangelischen Pfarrer der Reformationszeit (1598) angebracht sei.

2) Und während im übrigen Lande ob der Enns die Beamten des Kaisers in kritischen Zeiten Hauptträger der Gegenreformation waren, stehen die Vertreter des Kaisers im Salzkammergut auf dem Boden des A. B. Auch sie fördern die Besetzung der Pfarrstellen mit lutherischen Prädikanten und Pfarrern. Bedeutende Bekenner des A. B. sind der Salzamtmann Christoph Heyden und der Pfleger von Wildenstein Andreas Schmiedauer. Während in dem übrigen Oberösterreich die Gegenreformation schon in vollem Gange ist, wird der aus Vöcklamarkt vertriebene lutherische Pfarrer Sebastian Aufleger 1599 in Ischl zum Pfarrer berufen. Mitte des 16. Jahrhunderts kann man bereits von einem vollständigen Sieg des Luthertums im Salzkammergut sprechen. Geistlichkeit und Ordensfrauen, die kaiserliche Beamtenschaft, das gesamte Volk (Arbeiter, Bürger und Bauern) bekennen sich zum A. 8. Eingaben der Salzbeamten um die Jahrhundertwende (1600) sprechen von der Alleinherrschaft des A. B. und daß im ganzen Salzkammergut kein einziger Katholik mehr zu finden sei.

3) Der katholische Historiker Karl Eder schreibt in seinem großen Werk über die Glaubensspaltung in Osterreich ob der Enns (1936):
„Kein anderes Gebiet des Landes wurde so vollständig und gründlich protestantisch, wie das Kammergut des Kaisers und Landesfürsten." Das Luthertum wurde von niemandem als Abfall vom allen Glauben empfunden, sondern als Reinigung und Erneuerung der Katholischen Kirche. Daß es kein äußerlicher Bekenntniswechsel war, zeigt die Leidensbereitschaft der Bewohner dieses Landes, daß in Oberösterreich die größte Anzahl von Emigranten und Transmigranten aufzuweisen sind. Es ist heute üblich, geringschätzig von Volkskirche zu reden. Im Neukirchner Abreißkalender lese ich im Blatt vom 17. 8. 1982: „Es muß wohl so sein, daß es immer nur wenige sind, die die Liebe Gottes freudig aufnehmen und widerspiegeln. Die Zahl derer, die mit Ernst Christen sein wollen, war niemals groß." Die Geschichte des Salzkammergutes ist mir ein Zeichen, daß es doch auch echte Volkskirche geben kann, Volkskirche, die gleichzeitig Glaubenskirche ist. Es scheint mir etwas Wunderbares, wenn da und dort nicht nur Einzelne, sondern ein ganzes Volk vom Glauben ergriffen wird und seine Gaben und Kräfte in den Dienst des Reiches Gottes stellt.

4) Während des ganzen 16. Jahrhunderts konnte die reformatorische Botschaft ungestört verkündet werden und der Glaube im Volksleben tiefe Wurzeln fassen. Wie eifrig die Bibel gelesen wurde, zeigt die Klage eines Jesuitenpaters, der nach 1622 mit der Bekehrung der Goiserer zum römischen Glauben beauftragt war, diese Aufgabe sei unmöglich. Sie sind genaue Kenner der Heiligen Schriftl Jede Aussage in der Predigt oder im Glaubensgespräch wird an der Heiligen Schrift geprüft. Was dieser Prüfung nicht standhält, wird mit Entschiedenheit abgelehnt. (Da manche Lehren der röm. Kirche biblisch nicht begründet werden können, sind Bekehrungsversuche hoffnungslos.)

5) Ungestört kann die reformatorische Lehre verkündet werden, weil auch ein so entschiedener Protestantenfeind wie Kaiser Ferdinand 1. (1521-1564) nichts gegen den Protestantismus im Salzkammergut unternimmt. Die Einnahmen aus dem Kammergut sind offenbar so wichtig und unentbehrlich, daß man jede Beunruhigung des Volkes vermeiden will. Es kommt darüber zu Spannungen zwischen Kaiser und Bischof. Das Salzkammergut gehörte damals zum Bistum Passau.

Mit Urban III. von Tranbach besteigt ein fanatischer Protestantenfeind den Bischofsstuhl (1561-1588). Er will auch im Salzkammergut den Protestantismus ausrotten, Schon im Jahre seines Regierungsantrittes tritt er in Verbindung mit dem Päpstlichen Nuntius Stanislaus Hosius in Wien, um sich durch ihn die Unterstützung des Kaisers zu sichern. Er schickt eine Untersuchungskommission mit dem Landrichter in das Land, der sich von der völligen Protestantisierung des Landes überzeugen muß.

Die Kommission gerät in Lebensgefahr. In Hallstatt rottet sich das Volk zusammen. Landrichter und Pedell flüchten in das Schloß. Das Schloß wird gestürmt, es kann ihnen aber heimlich herausgeholfen werden.

Urban erstattet einen wütenden Bericht an den Kaiser, der Kaiser sei viel zu nachgiebig. Es sei ein unglaublicher Zustand, daß die Vertreter des Kaisers die Pfarrstellen nurverheirateton lutherischen Priestern verleihen. Die Verbreitung der neuen Lehre geschehe daher in verzweifelter Weise. Trotzdem läßt sich der Kaiser nicht bewegen, irgendetwas gegen das evangelische Bekenntnis im Kammergut zu unternehmen.

Erst recht nichts geschieht unter Maximilian II. (1564-1576), den man als den protestantenfreundlichsten unter den Habsburgern bezeichnen kann.