Die Gegenreformation

Die Verhältnisse ändern sich unter Rudolf II. (1576-1612). Er war persönlich kein Fanatiker, aber unter ihm war der Jesuitenorden eine Großmacht geworden und nach dem 2. oö. Bauernaufstand (1594-1597) läßt er sich überzeugen, daß die weitgespannte österreichische Monarchie, die damals auch schon Böhmen und Ungarn umfaßte, nur durch deutsche Kultur und religiöse Einheit, d. h. durch Bekenntnis zum römischen Katholizismus Bestand haben könne.

a) So erscheint am 6. 10. 1597 ein kaiserliches Generalmandat des Inhalts: Wie in den anderen 3 Vierteln des Landes (Mühlviertel, Machlandviertel und Hausruckviertel) könne nun auch im Traunviertel kein anderes Bekenntnis mehr geduldet werden als das römisch-katholische. Alle lutherischen Pfarrer und Prädikanten seien durch römische zu ersetzen, d. h. mit der Ausnahmestellung des Salzkammergutes ist es zu Ende.
Dieses Mandat findet zunächst keinerlei Beachtung. Die Behörden finden es nicht der Mühe wert, es zu veröffentlichen.

Ein Vierteljahr später fühlen sie sich doch bemüßigt, der kaiserlichen Hofkanzlei eine Antwort zu geben. Am 15.1. 1598 ersuchen die Salzbeamten, die Folgen des Mandates vom 6. 10. 1597 zu bedenken: „Gegenwärtig wirft das Salzkammergut etliche 100.000 Gulden für den Kaiser ab. Der Aufschwung werde noch größer, wenn die Sulzführung von Hallstatt bis Ebensee fertiggestellt sein wird. Die Salzfertiger leben in drückenden Verhältnissen. Ursachen zur Unzufriedenheit sind vorhanden. Kommt dazu noch eine urplötzliche Veränderung in Religionssachen, so ist das Schlimmste zu befürchten ... wozu auch eine solche Veränderung, da doch seit undenklichen Zeiten im ganzen Salzkammergut keine andere als die Augsburgische Religion im Gebrauch gewesen und kaum ein einziger Mensch aufzufinden sei, der sich zu einer anderen Religion bekennen wolle?"
Die kaiserliche Regierung bleibt entschlossen.

Am 21. 1. 1598 werden die Vertreter der vier wichtigsten Salzflecken lach[, Launen, Goisern und Hallstatt zur Landesregierung vorgeladen. Sie sollen den Revers unterschreiben, daß sie nun wieder zum römischen Glauben zurückkehren wollen oder das Land verlassen. Es wird ihnen eine Frist von 14 Tagen eingeräumt. Die vier Salzflecken antworten mit einer Bittschrift an den Kaiser: Sie hätten vom Landeshauptmann vernommen, daß nunmehr die Reformation (Gegenreformation) auch im Salzkammergut durchgeführt werden solle. Man habe sich um das Generalmandat nichtgekümmert, weil sie meinten, es gehe sie nichts an. Während der Bauernaufstände (1525,1594-1597) habe sich das Salzkammergut völlig ruhig verhalten. Nie hat sich ein Rebellionsvorgang ereignet. Nie wurde ein Pfarrer oder Gesellpriester auf eigene Faust, sondern immer nur im Einvernehmen mit dem jeweiligen Pfleger der kaiserlichen Herrschaft Wildenstein aufgenommen ... sie wären nun 40 und 50, manche an die 60 Jahre bei ihrer Augsburgischen Konfession unbehindert gelassen worden und jetzt sollen sie auf einmal ihre Religion verleugnen und eine andere, ihnen völlig fremde Religion annehmen.

Sie geben ferner zu bedenken, daß das Salzkammergut seit der Annahme der A. C. sich wirtschaftlich bedeutend gebessert habe. Wenn nun plötzlich eine Veränderung der Religion und Ausschaffung der Leute vorgenommen werde, so könne dem Kammergut nur Schaden erwachsen. Man müsse dann von anderswo Schiffleute herbeibringen, die sich so leicht nicht In die neuen Verhältnisse finden können, da die Traunschiftahrt, besonders beim Traunfall, viele Gefahren in sich berge. Wird sie unterbrochen, so muß sich für den Kaiser eine bedeutende Mindereinnahme einstellen. Zum Schluß die flehende Bitte, sie bei ihrem Glauben zu belassen, an dem das Volk von ganzem Herzen hänge.

Interessant scheint mir die Überzeugung der vier Salzflecken, daß Religion und Wirtschaft eng miteinander verbunden seien. Wenn ein Volk in Freiheit seiner religiösen Überzeugung folgen kann, dann gedeiht auch das wirtschaftliche Leben, wenn aber gewalttätig in das Gewissen des Volkes eingegriffen wird, dann wird auch die Wirtschaft ruiniert. Ein Blick in den Ostblock bestätigt diese Meinung.

Biblisch ausgedrückt: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das Übrige alles zufallen." Interessant ist auch die Feststellung des katholischen Geschichtsforschers Karl Eder, es sei ein unglaublicher Widerspruch, daß ausgerechnet das Kammergut des katholischen Kaisers und Landesvaters die A. C. nicht nur am vollständigsten angenommen habe, sondern auch am längsten ungestört behalten und sich der katholischen Religionsreformation am schärfsten widersetzt habe.

b) Die Eingabe der vier Salzflecken (Februar 1598) hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Es wird nichts gegen das Bekenntnis A. B. unternommen. Ja! eine Ischler Delegation bekommt am 14.5.1599 den Bescheid, das Volk soll bis zur Endregulation unbeschwert bleiben.
In aller Stille aber werden die kaiserlichen Beamten ausgewechselt. Anstelle des lutherischen Salzamtmannes von Gmunden tritt nun der Katholik Dr. Veith Spindler von Hofegg; anstelle des lutherischen Pflegers von Wildenstein kommt nun der Katholik Gregor Jordan. Im steirischen Salzkammergut hat sich im Jahr 1600 ein entscheidender Wandel vollzogen. Ferdinand von Steiermark, der Vetter des Kaisers, ein glühender Vertreter der Gegenreformation, hat im steirischen Salzkammergut die Gegenreformation ohne Rücksicht auf Verluste durchgeführt. Die Salzfertiger werden vor die Wahl gestellt, entweder katholisch zu werden oder das Land zu verlassen. Von ihm wird nun auch der Kaiser unter Druck gesetzt.

c) Am 21. Juli 1600 erscheint ein neues Reformationspatent. Die Rückkehr zum römischen Glauben darf nicht mehr aufgeschoben werden. Eine Kommission wird beauftragt, sie durchzuführen. Der Landeshauptmann Hans Jakob Löbl, der Salzamtmann Veith Spindler, der Hofschreiber von Hallstatt Hans Nutz gehören ihr an. Es wird angeordnet: generelle Rückkehr zum römischen Glauben, Entlassung aller Praedikanten, Anstellung von römischen Priestern. Die Durchführung geschieht höchst oberflächlich. Die neuen Priester erweisen sich als untauglich. Der von Hallstatt ist mehr ein Don Juan als Seelsorger und muß schon nach drei Monaten entlassen werden. Der Pfleger Gregor Jordan äußert sich: ihm scheine, der leidige Teufel regiere die Pfaffen, sie tun alles, um den römischen Glauben so verhaßt als möglich zu machen. Die Praedikanten bleiben im Lande und finden massenhaft Zulauf.
Das Volk ist nicht bereit, diesen Zustand hinzunehmen. Der Ischler Marktrichter Joachim Schwärzt organisiert den Widerstand. Er ist ein 40jähriger, kluger und mutiger Mann, voll glühender Hingabe an den evangelischen Glauben.

Man versucht den Weg der Verhandlungen. Ein Delegierter namens Stadlmann wird 1601 an den Kaiserhof in Prag entsandt. Dort wird er aufgefordert, ein Verzeichnis der Anhänger des A. B. vorzulegen. Das erweckt Hoffnungen. Vielleicht gibt der Kaiser das Bekenntnis frei, wenn er sieht, daß das ganze Salzkammergut sich dazu bekennt.

Es kommt zu einem großartigen Bekenntnistag. Schwärzl legt ein Buch an, versammelt das Volk vor dem Rathaus und fordert auf: „Alle, die bereit sind, Leib und Leben, Gut und Blut für das A. B. zu lassen, mögen sich in das Buch eintragen.' Und siehe da, alle erwachsenen Personen schreiben sich ein. Nur drei verweigern die Unterschrift. Dasselbe geschieht in Goisern, Gosau und Hallstatt. Wer echte Volkskirche für unmöglich hält, muß sich in die Geschichte des Salzkammergutes vertiefen.

d) Die Regierung bleibt entschlossen, den Widerstand zu brechen. Die Reformationskommission in Gmunden mit Dr. Veith Spindler an der Spitze erhält gemessenen Befehl, von Ort zu Ort zu ziehen und den Revers unterschreiben zu lassen: „Entweder katholisch werden oder binnen drei Monaten die Erbländer zu räumen."

Man beginnt in Ischl. Joachim Schwärz[ unterschreibt nicht, wird abgesetzt und durch Kosmas Khlee ersetzt, der den Revers unterschreibt. Derselbe Vorgang in Lauffen. In Goisern gibt es offenen Widerstand: „In politischen Dingen wollen wir dem Kaiser gehorsam sein, in geistlichen nicht; den Leib dem Kaiser, die Seele Gott! Die Seelenspeise wollen wir uns nicht abstricken lassen." (d. h. das Altarsakrament wollen wir nicht in verstümmelter Weise empfangen.) Diese Antwort der Goiserer zeigt den Bruch der Zeiten: die Zeit des Corpus Christianum, in dem Staat und Kirche, Glaube und Politik eine unlösbare Einheit bilden, ein Zustand, den Habsburg für heilsnotwendig halt, ist zu Ende. Religion und Politik gehen nun getrennte Wege.
Auch in Gosau wird Protest erhoben. In Hallstatt kommt es zur offenen Revolte. Die Kommission setzt den lutherischen Marktrichter ab, ein katholischer wird eingesetzt, der den Revers unterschreibt. Am nächsten Tag werden die Bergarbeiter vorgeladen zur Verlesung des Patents. Auch von Goisern kommen Bergarbeiter und Bauern. Die Versammlung erklärt: das Patent wird nicht angenommen, der Glaube wird nicht gewechselt, die Praedikanten werden nicht entlassen. Die Menge nimmt eine so drohende Haltung ein, daß Spindler und der verhaßte Hofschreiber von Hallstatt die Flucht ergreifen und über den See zu entkommen suchen. Sie werden aber ergriffen und als Gefangene nach Ischl gebracht. Man scheut aber vor dem Äußersten zurück und gibt Spindler frei. Es kommt zu einer Art RütliSchwur: Joachim Schwärzl versammelt das Volk. Jeder, der Leib und Leben an das Bekenntnis von Augsburg wagen will, soll zwei Finger aufheben. Alle tun es. Schwärzl richtet eine Art Militärregierung auf, wird selbst Feldobrist und ernennt Rottenmeister. Alle römischen Priester werden verjagt, die Pässe in Verteidigungszustand gebracht.

e) Die Regierung muß feststellen, daß das Salzkammergut in offenem Aufruhr ist und ist entschlossen, ihn niederzuwerfen. Das ist leichter gesagt als getan, Um Gewalt auszuüben, braucht man eine Armee. Über eine solche verfügt der Kaiser nicht. Militärisch ist der Kaiser auf die Landstände angewiesen. Diese sind nicht bereit, gegen das Salzkammergut vorzugehen. Der Kaiser wendet sich an den Erzbischof von Salzburg. Aber Wolfdietrich von Raitenau ist ein toleranter Kirchenfürst, der für Religionskriege nichts übrig hat. Dem Protestantismus gegenüber gibt es nur zwei Möglichkeiten, entweder man duldet ihn, oder man ermöglicht die Abwanderung. Auch die Rädelsführer dürfen nicht so gestraft werden, daß sie an den Bettelstab, geschweige ums Leben kommen.

Aber die kaiserlichen Kommissare bedrängen den Bischof unaufhörlich. Es gehe hier nicht mehr um Religion, sondern um offenen Aufruhr. Wie leicht könne der Aufstand im Salzkammergut in das Salzburgische hinüberschlagen. Aber auch Joachim Schwärzl kommt mit einigen Delegierten nach Salzburg: „Wir sind zu Fußfall und Gehorsam bereit, wenn man uns den Glauben läßt." Aber als der Erzbischof erfährt, daß der größte Teil des Volkes unter Waffen steht und von Unterwerfung nichts wissen will, werden die Delegierten gefangen gesetzt und am 12. 2. 1602 die Reformationskommission in Gmunden verständigt, daß der Erzbischof den Aufstand in kürzester Zeit niederschlagen werde.

f) Am 21. 2. 1602 beginnt der Feldzug gegen das Salzkammergut. Er nimmt für die Aufständischen keinen ruhmreichen Verlauf. Es fehlt ihnen jede Kriegserfahrung und sie empfinden Scheu vor dem Blutvergießen.

Mit 1000 Mann Fußvolk und 200 Reitern rückt das salzburgische Kriegsvolk unter dem Kommando des Hans Kaspar von Stadion über St. Gilgen und Strobl im Salzkammergut ein. Am 24. 2. kommt es zum ersten Zusammenstoß. Ein paar hundert Ischler erwarten den Angriff mit dem Kriegsgeschrei: „Nur her ihr Pfaffenknechte." Aber die Salzburger eröffnen das Feuer, das sechs Tote fordert. Die Ischler weichen zurück, versuchen vor der Stadt noch einmal eine Widerstandslinie aufzubauen, die aber wieder durch ein paar Salven aufgesprengt wird.

Am selben Tag (24. 2.) marschiert eine Abteilung von 200 Mann unter Hauptmann Grümbl von Abtenau über den Paß Gschütt gegen Gosau und Goisern. Es kommt zu keinen Kriegshandlungen. Auf die Kunde von der Niederlage von Ischl ergeben sich Goisern am 25. und Gosau am 26. 2. Auch Hallstatt leistet keinen Widerstand.

Am 28. 2. 1602 beginnen die Hinrichtungen.
Wenn man bedenkt, daß die Salzkammergutleute bei allem Kriegsgeschrei doch keinen Tropfen Blut vergossen haben, wird doch mit äußerster Grausamkeit gegen sie vorgegangen. Am 28. 2. muß die Bürgerschaft von Ischl im Amtshaus den Fußfall leisten und den Revers unterzeichnen. Der Rat wird abgesetzt, die Marktrechte aufgehoben. Am 1.3. 1602 feierliche Installation des röm.-kath. Pfarrers Paul Neumayer. Am Nachmittag desselben Tages grausame Hinrichtung des Prokurators Michael Haller. Er wird gevierteilt und die vier Viertel an verschiedenen Orten des Marktes zur Schau gestellt. Am nächsten Tag dasselbe in Hallstatt. Vormittag feierliche Einsetzung des Pfarrers W. Agricola, am Nachmittag Hinrichtung von zwei Rädelsführern. Am 4. März derselbe Vorgang in Gosau. Zwei Bauern, Michael Bader und Andrä Hager wird der Kopf vor die Füße gelegt. Eine eigenartige Bekehrungsliturgie: Vormittag feierlicher Gottesdienst mit Pfarrerinstallation, am Nachmittag Hinrichtung ehrbarer Männer, die nichts anderes begangen haben, als ihrem Gewissen zu folgen. Aus Goisern sind keine Hinrichtungen gemeldet, offenbar sind keine Personen führend hervorgetreten.
Daß Joachim Schwärzt, die Seele des Aufstands, mit dem Leben davonkam, verdankt er dem Erzbischof Wolfdietrich, der ihn eine Zeit lang gefangen hielt, später nach Linz auslieferte, wo er sieben Jahre eingekerkert blieb. Sein Prozeß fiel in die Zeit des Bruderzwistes in Habsburg, der für die Evangelischen günstig war und endete mit der Freilassung.

g) Karl Eder beendet den Bericht über den Aufstand im Salzkammergut mit den Worten: „Mit diesem blutigen Finale im Salzkammergut endet die Rudolfinische Religionsreformation im Lande ob der Enns. Nirgends treten die Folgen der Glaubensspaltung schmerzlicher in das Bewußtsein als beim Studium der Heimatgeschichte."

So wird dem durch und durch lutherischen Salzkammergut der völlig fremd gewordene römische Glaube mit blutigem Terror aufgezwungen. Die Salzkammerguttragödie ist ein Teil der gesamtösterreichischen Tragödie, von der P. Barton schreibt: „Um 1575 sind die österreichischen Länder Oberösterreich, Niederösterreich, Böhmen, Schlesien, Steiermark, Kärnten und Krain fast zur Gänze evangelisch. Die Gegenreformation war keine geistliche Bewegung, sondern ein fast ausschließlich vom Herrscherhaus inszeniertes, durch viele Generationen durchgezogenes Unternehmen, das mit Terror, Zwangsaussiedlung, Wegnahme der Kinder, Zwangseinweisung in Klöster, Zwangsaushebung zum Militär, Schauprozessen mit Todesurteilen durchgeführt wurde." Jahrhundertelanges Bemühen, einem freiheitsliebenden Volk das Rückgrat zu brechen, konnte nicht ohne Folgen für die seelische Struktur des Volkes bleiben. Am großen Bauernkrieg 1626, den das Reformationspatent Ferdinands II. vom 10. 10. 1625 auslöste, haben sich die Bewohner des Salzkammergutes nicht mehr beteiligt.